IHK NRW

Aktuelles aus der EU-Handelspolitik

Stärken und Schwächen des EU-Binnenmarktes

Mit 447 Millionen Menschen und 23 Millionen Unternehmen ist der europäische Binnenmarkt einer der größten Wirtschaftsräume der Welt. Im Rahmen einer deutschlandweiten Umfrage zur Europawahl 2024 hat die IHK-Organisation die Antworten von rund 3.000 Betrieben aus allen Branchen und Regionen gesammelt. Die wesentlichen Ergebnisse sind im Folgenden dargestellt (IHK-Unternehmensbarometer zur EU-Wahl 2024).
Die politische Stabilität des EU-Wirtschaftsraums stellt für knapp 60 Prozent der Unternehmen in Deutschland den größten Nutzen im Hinblick auf die europäische Integration dar. Es folgen der gemeinsame Währungsraum und der Zugang zum Binnenmarkt. Für EU-weit und international tätige Unternehmen ist der wahrgenommene Nutzen der EU noch höher.
Mehr als die Hälfte der Unternehmen gibt an, dass die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Europa in den letzten fünf Jahren abgenommen hat. Vor allem die Industrie leidet unter der aktuellen Situation. Um dem Verlust der Standortattraktivität entgegenzuwirken, braucht die EU eine neue Agenda für Wettbewerbsfähigkeit.
Den größten Handlungsbedarf für die neue EU-Legislaturperiode sehen die Unternehmen bei der überbordenden Bürokratie. 95 Prozent sehen den Bürokratieabbau als Priorität an, gefolgt von der Sicherstellung der Energieversorgung. Gerade in energieintensiven Branchen führen die hohen Energiepreise bei der Beschaffung zu spürbaren Produktionsrückgängen. An dritter Stelle der Prioritätenliste steht das Thema Sicherheit, denn der effektive Schutz vor Cyberangriffen wird immer wichtiger.

CO2-Grenzausgleichsmechanismus

Von den Unternehmen, die mit grundlegenden Herausforderungen im internationalen Geschäft konfrontiert sind, beklagen 60 Prozent bürokratische Hürden oder Unsicherheiten bei der Umsetzung von Regulierungen. Hindernisse für Unternehmen sind insbesondere die umfangreichen Berichtspflichten, mit denen sich 76 Prozent der Unternehmen konfrontiert sehen, aber auch die Einhaltung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes und die Umsetzung des im Oktober 2023 in Kraft getretenen Grenzausgleichsmechanismus CBAM. Diese Dokumentationsverpflichtungen führen dazu, dass Unternehmen immer mehr Angaben zu Lieferanten und Geschäftspartnern machen müssen.
Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus ist Teil des „Fit for 55“-Pakets der EU. Das Paket soll CO2-Emissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent senken. Um aufgrund steigender Emissions-Bepreisungen von EU-Produkten eine Verlagerung der Produktion und damit der CO2-Emissionen (Carbon Leakage) in andere Länder zu vermeiden, sieht der Mechanismus ab 2026 einen gleichen CO2-Preis importierter Produkte vor: Importierende Unternehmen müssen die Differenz zwischen dem CO2-Preis der EU dieser Produkte und dem im jeweiligen Drittstaat ausgleichen. Zu Beginn sind Eisen, Stahl, Aluminium, Düngemittel, Wasserstoff, Zement und Strom betroffen. Die Verordnung wird auch für bestimmte Vorprodukte und nachgelagerte Produkte gelten.
Worauf müssen sich Unternehmen einstellen? 

1. Oktober 2023 bis 31. Dezember 2025: Übergangsphase (CBAM-Berichtspflicht)
  • 31. Januar 2024: Abgabe des ersten CBAM-Berichts
  • 1. Januar 2025: Beantragung als „zugelassener CBAM-Anmelder“
1. Januar 2026: Beginn der Vollimplementierung
  • Einfuhr betroffener Produkte nur noch mit kostenpflichtigen CBAM-Zertifikaten
  • Jährlicher CBAM-Bericht bis zum 31. Mai des Folgejahres
2034: Gleichstellung der Emissions-Bepreisung von EU- und Drittlandsprodukten durch vollständigen Zertifikatehandel

Lieferkettenrichtline auf EU-Ebene

Am 15. März 2024 hat sich eine Mehrheit der EU-Länder auf die EU-Lieferkettenrichtlinie geeinigt. Diese Einigung wurde anschließend von EU-Parlament und EU-Rat bestätigt. Der Weg dorthin war schwierig: Zunächst erhielt die EU-Lieferkettenrichtlinie in der Sitzung des EU-Rats Ende Februar 2024 keine Mehrheit. Erst ein Kompromissvorschlag Mitte März schaffte die Kehrtwende und machte damit den Weg für die umstrittene EU-Gesetzgebung frei.
Anders als ursprünglich geplant soll die Richtlinie EU-Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro jährlichem Nettoumsatz zum sorgfältigen Umgang mit den sozialen und ökologischen Wirkungen in der Lieferkette verpflichten. Strittig bleibt insbesondere die zivilrechtliche Haftung bei Verstößen, die die Richtlinie vorsieht. Diese geht somit deutlich über das seit 2023 geltende deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) hinaus.
Auch mit der am 29. Juni 2023 in Kraft getretenen Verordnung (EU) 2023/1115 über entwaldungsfreie Lieferketten in der Europäischen Union kommen auf Unternehmen zusätzliche Sorgfaltspflichten in der Lieferkette zu. Die Verordnung ist nach einer Übergangszeit von 18 Monaten ab dem 30. Dezember 2024 anzuwenden. Bestimmte KMU profitieren von einer längeren Anpassungsfrist, da für diese die Pflichten erst ab dem 30. Juni 2025 (Artikel 38 Absatz 3) gelten.
Die Verordnung regelt EU-weit, dass Soja, Rinder, Palmöl, Holz, Kakao, Kaffee, Kautschuk und deren Erzeugnisse nur dann in den Unionsmarkt ein-, ausgeführt oder darauf bereitgestellt werden dürfen, wenn diese nicht mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen.
Deutsches Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
  • Ab dem 1. Januar 2024 müssen Unternehmen mit über 1.000 Beschäftigten die Sorgfaltspflichten des LkSG erfüllen. Bislang lag die Schwelle bei 3.000 Beschäftigten. Unternehmen müssen eigenverantwortlich prüfen, ob sie dem Gesetz unterfallen.
  • Das mit der Durchführung des Gesetzes befasste Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) stellt nunmehr auf seiner Website speziell für diese neu vom LkSG erfassten Unternehmen Unterstützungsangebote zur Verfügung.
  • Wichtiger Stichtag: Das BAFA wird erstmalig zum Stichtag 1. Juni 2024 das Vorliegen von Berichten sowie deren Veröffentlichung von nach dem LkSG verpflichteten Unternehmen prüfen.
Unterstützungangebote der BAFA finden Sie Hier.